Als Kind ging’s immer runter zu Oma und Opa, wenn meine Eltern ihren gesellschaftlichen Pflichten nachkamen und zu Geburtstagsfeiern, Festen oder zum Kegelabend abwanderten. Zu bestellen hatte ich nichts. Im Fernsehen musste rücksichtslos jede Volksmusiksendung durchgejuckelt werden, auch wenn Bud Spencer auf dem Nachbarkanal kam. Immerhin sorgten meine Großeltern mit der Nuss-Schokolade aus dem Aldi dafür, dass ich mich bereits frühkindlich den Gewichtsphären meines Schläger-Helden annäherte. Nicht mehr zu halten war meine Oma, wenn Stefanie Hertel bei Karl Moik auftauchte. Den Gassenhauer „Über jedes Bacherl geht a Brückerl“ interpretierte meine Oma nicht nur lautstark, sondern auch gestenreich. Bis heute habe ich den Gesichtsausdruck meines Opas zu dieser Performance vor Augen, kann ihn aber nach wie vor nicht richtig deuten.
Der Einfluss der Wiener Vereine
Die Brücke am Stadion in Osnabrück geht nicht über ein Bacherl, sondern über die Bremer Straße. Daher trägt das Stadion nach einigen fremdgängerischen Jahren als Piepenbrock-Stadion an der Bremer Brücke (1995–2004) bzw. Osnatel-Arena (2004 bis 2016) wieder den Namen „Stadion an der Bremer Brücke“. Die Bremer Brücke heißt so, weil sie eine Eisenbahnbrücke ist und ihre Gleise in die Stadt des SV Werder führen. Bereits seit 1933 wird hier Fußball gespielt, anfangs noch als SC Rapid, ab 1938 wieder als VfL Osnabrück. Namen und Spielfarben übernahm man von den beiden großen Wiener Vereinen, das Lila von Austria ist bis heute geblieben.
Durch die Nähe zur Großindustrie fiel der Bombenhagel im Zweiten Weltkrieg an der Bremer Brücke heftig aus. Das Stadion wurde schwer getroffen, durch Vereinsmitglieder aber schnell wieder aufgebaut, so dass bereits Ende Juli 1946 wieder an der Bremer Brücke gespielt werden konnte. In den Folgejahren wurde man dem enormen Zuschauerandrang gerecht und feierte 1952 beim 0:0 gegen den späteren Deutschen Meister, den VfB Stuttgart, mit 40 000 Besuchern den heute noch gültigen Zuschauerrekord.
Der schicke Name trügt, die Osnatel-Arena zu Osnabrück ist auch im Jahr 2007 noch einer der wenigen Orte, an denen man Fußball mit allen Sinnen erleben kann. Es duftet nach Wurst und Bier, es ist infernalisch laut – und die Tribünen stehen derart nah am Spielfeld, dass man den nassen Rasen riechen kann. Das Ambiente ist perfekt für ehrliche Fußballschlachten, (…).
Christian Löer im »Kölner Stadtanzeiger«
Im Rahmen der Bewerbung für die neugegründete 2. Bundesliga übernahm die Stadt in den Siebzigerjahren das Stadion, stattete es zuerst mit einer neuen Haupttribüne, dann mit einer besseren Flutlichtanlage aus. 1980 folgten frische Stehränge, bis 1993 wurden 12 Millionen DM in den Platz investiert. In dieser Zeit feierte die U21 große Erfolge in Osnabrück und auch die Frauen-Nationalmannschaft wurde hier Europameister.
Der elitäre Affenfelsen
Nach der Jahrtausendwende wurde das Stadion vom VIP-Logen-Bau bis zur Rasenheizung sukzessive modernisiert. Als „Prunkstück des Aufbruchs in das neue Zeitalter“ (Das große Buch der deutschen Fußballstadien) gilt die neue Nordtribüne. Ein Kunststück, „für 5 Millionen etwas Neues gut zu integrieren“ (Architekt Dr. Stefan Nixdorf), 8,90 Meter hoch, 22 Sitzreihen stark und sehr steil. Zwischen ihr und der Ostkurve liegt der „Affenfelsen“, eine Stehplatzecke mit nur rund 800 Plätzen. Hier kommt man nur mit einer der 758 Dauerkarten rein, „was den Felsen zum wohl kleinsten und damit elitärsten Fanblock des deutschen Fußballs macht“ (11 Freunde).
Eine nette Anekdote hat das Stadion noch zu bieten: Bis 2010 klaffte zwischen Nordtribüne und Westkurve eine Lücke. Der Bereich konnte nicht ausgebaut werden, „weil sich die Eigentümerin eines dahinter befindlichen Grundstückes seit Jahrzehnten weigerte, aufgrund einer weit zurückliegende Fehde zwischen ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann und dem damaligen VfL-Präsidenten Friedel Schwarze das Grundstück an den VfL zu verkaufen“ (Wikipedia). Erst im Oktober 2010 konnten sich beide Parteien einigen – nach 35 Jahren.
Insgesamt flossen 5,2 Millionen Euro in das Stadion an der Bremer Brücke, das nach der Rückkehr zum alten Namen genau das bietet, was es verspricht: Ein modernisiertes Stadion, das seinen Charakter behalten hat, wunderschön (und) eng ist und besonders unter Flutlicht und/oder bei den Derbys gegen Bielefeld und Münster abgehen soll.
Mindestens so wie meine Oma bei Stefanie Hertel.
Anschrift: Scharnhorststraße 50, 49084 Osnabrück
Internet: http://www.vfl.de/verein/stadion.html
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