Mit Anfang 20 habe ich in Frankfurt mein Herz verloren. Ich verliebte mich in eine Frau von unvergleichlicher äußerer Schönheit und genoss eine Zeit voller Herzklopfen und Hysterie, die mein Seelenleben an seine Grenzen brachte.
Monate später durfte ich erfahren, dass sich einer der Ratschläge meines Opas als praxistauglich herausstellen sollte. Der eine – „schaff dir keine Katholikin an, die rennen am Sonntag nur in die Kirche“ – kam nicht zur Anwendung. Mit dem anderen – es kommt immer eine Frau, die besser ist als die davor – sollte er recht behalten.
Unweit der Stelle, an der ich in Frankfurt unglücklich wurde, befindet sich ein weiterer Ort für garantierte Emotionen. Der Frankfurter Römer ist seit über 50 Jahren die erste Heimat für die Nationalmannschaft, wenn man von großen Turnieren wieder nach Hause kommt.
Erst mit dem Zug, dann mit dem Schiff
Der Grund dafür ist simpel. Mit dem Airport Frankfurt befindet sich der größte Verkehrsflughafen Deutschlands und der viertgrößte Europas in der Bankenmetropole. Dies ist zugleich die Ursache dafür, dass erst seit der Weltmeisterschaft in Chile 1962 zuerst in Hessen gestoppt wird. Die WM 1950 in Brasilien fand noch ohne die deutsche Nationalmannschaft statt. Vier Jahre später in der Schweiz brachte man den Titel im Zug mit nach Hause, wurde von über einer Million Menschen auf der Strecke über Schaffhausen und Konstanz bejubelt und am Zielbahnhof München empfangen. Eine spätere Ehrung fand im Olympiastadion Berlin statt. Den dritten Platz in Schweden 1958 feierten rund 30 000 Anhänger in Hamburg, nachdem man zuvor mit der Fähre in Wilhelmshaven gestrandet war.
Das enttäuschende Abschneiden in Chile – im Viertelfinale war Schluss – sorgte dafür, dass der erste Empfang am Frankfurter Flughafen bescheiden ausfiel:
Von der rauschenden Begeisterung, mit der noch vor einer knappen Woche jedermann an dem Abschneiden der Herberger-Elf Anteil nahm, war nicht mehr sehr viel übriggeblieben: eine rechteckige Konditortorte, Marke Lufthansa, mit der Zuckerguß-Aufschrift »Ein herzlich Willkommen unserer Nationalmannschaft«, ein kleiner Menschenauflauf von Kameramännern, Reportern und Leuten, die sich ohnehin gerade in der Nähe befanden, ein artiger Höflichkeitsapplaus, mehr nicht.
»Frankfurter Rundschau« vom 18. Juni 1962
Weitaus größer war die Begeisterung bei den Vizeweltmeistern von 1966, die erste Nationalmannschaft, die am Römerberg gewürdigt wurde. Es folgten Ehrungen der Mannschaften von 1970 (Mexiko), der von 1986 (wieder Mexiko), 1990 (Italien), 1996 (England, EM) und 2002 (Japan und Südkorea). Beim WM-Titel im eigenen Land 1974 fuhren nach dem Bankett in München einfach alle Spieler nach Hause. Auch die Europameister-Titel 1972 und 1980 wurden nicht gefeiert.
Lieber die große Bühne als den kleinen Balkon
Die neue Generation Nationalspieler führt über das Thema heutzutage einen Diskurs, wie man in Sönke Worthmanns „Sommermärchen“ sehen konnte. Der Rathaus-Balkon passt nicht mehr in den Geist der Zeit, Xavier Naidoo findet dort keinen Platz und auf den hippen Fan-Meilen werden mehr Anhänger erreicht. Sucht man bei Google nach „Empfang“ und „2012“, findet man die Teilnehmer der Deutscholympiade, nicht die der Europameisterschaft.
Immerhin kann man den Frauen noch zujubeln, die ihre Titel weiter treu auf dem Römer feiern (der seit dem 15. Jahrhundert das Rathaus Frankfurts ist und im Krieg nahezu vollständig zerstört wurde). So auch 2007, als im Rahmen der Feierlichkeiten ein DFB-Funktionär einer Spielerin „Du geiles Stück“ ins Ohr hauchte. Ein Paar sind die beiden heute nicht. Vermutlich ist sie Katholikin.
Anschrift: Römerberg 27, 60311 Frankfurt am Main
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