Es gab eine Zeit im deutschen Fußball, da war Kondition alles. Ottmar Hitzfeld hatte sich gerade beim FC Bayern nach einer sechsjährigen Ära verbraucht und seinen Spielern „ging es am Ende zu gut“, wie Uli Hoeneß befand. Niemand konnte seinerzeit die fehlende Härte und die abhandengekommene Disziplin so gut vermitteln wie Felix Magath, das personifizierte Synonym für Kondition. Er hatte gerade den VfB Stuttgart von einem Abstiegs- zu einem Meisterschaftskandidaten geformt und ihm eilte ein Ruf voraus, der härter als Stahl war. Befeuert wurde sein Image durch entsprechende Sprüche wie den von seinem Ex-Spielersklaven Jan Aage Fjörtof, der nicht wusste, „ob Magath die Titanic gerettet hätte“, sich aber sicher war, dass „die Überlebenden auf jeden Fall topfit gewesen wären“. Knapp zweieinhalb Jahre später, nach seiner Amtszeit in München, hatte Magath als Andenken zwei Double-Siege in der bayrischen Landeshauptstadt hinterlassen. Seine Methoden führten zwar zu raschem Erfolg, nutzten sich aber ebenso schnell wieder ab.
Weil früher alles besser war
Bei seiner nächsten Station, dem VfL Wolfsburg, sollten sie aber wieder zünden. Während die Bayern unter Fußball-Che Guevara Jürgen Klinsmann mit Powerpointpräsentationen und Gummiband-Trainingsmethoden um die Champions-League bangen mussten, platzierte Magath als Trainer und Manager die Meisterschale in die Vitrine der tristen VW-Stadt. Und das mit konservativen Medizinbällen und rudimentärsten Methoden. Es war ein Sieg von Gut über Böse, von „Retro über Reformen“ (Süddeutsche Zeitung) und der Beweis, dass man in Deutschland eigentlich nur rennen (können) muss, um der perfekte Kicker zu sein. Und Magath fragte sich in Bezug auf Klinsmann sowieso „schon lange, wie jemand, der keine Erfolge vorzuweisen hat, so einen gewaltigen Einfluss auf die gesamte Szene haben konnte“.
Der »berüchtigtste Hügel Niedersachsens«.
Aus der »Stuttgarter Zeitung«
Nicht nur die Meisterschale, auch ein kleiner Berg erinnert heute noch an diese grandiose Saison. Er hat das Wolfsburger Fußballwunder erst möglich gemacht, mit ihm wurden Fitness und Disziplin nach Süd-Ost-Niedersachsen importiert und unnötige Innovationen aus den USA entsorgt. Was die weiße Taube für den Frieden ist, ist der „Hügel der Leiden“, der „Mount Magath“ für die Wolfsburger Meisterschaft. Eine dreieinhalb Meter hohe Anhöhe, deren Gipfel nur mit schwerer körperlicher Arbeit zu erreichen ist, erbaut unter Magath im Jahr 2009.
Zwei Rampen und drei Treppen mit unterschiedlichen Stufenhöhen (20, 30 und 50 Zentimeter) führen zum Mount Magath hinauf. Dabei sind es eigentlich „fiese“ Rampen und „noch fiesere“ Treppen, wie die Süddeutsche nach dem Titelgewinn zu berichten wusste. Die Sprintrampen sind mit Kunstrasen beschichtet, die größere ist 65 Meter lang und hat eine zunehmende Steigung von drei Prozent bis auf neun Prozent, die andere misst 18 Meter bei einer Steigung von 20 Prozent. Im Inneren des Hügels befinden sich Büros für die Platzwarte sowie Lagerräume für diverse Trainingsutensilien.
Das Ende des Diktators
Doch was wäre die schwarz-weiße Presselandschaft, wenn der Hügel der Leiden nicht auch für die andere Seite des Geschäfts hätte herhalten müssen? Denn als Magaths zweites Engagement in Wolfsburg beendet wurde, „weinte am Ende nur der Medizinball“, war der „letzte Diktator abgesetzt“ und sogar der „Mount Magath eingestürzt“.
Dabei steht er auch heute noch gut sichtbar am Rande des Trainingsplatzes – und wurde bei dem ein oder anderen Magath-Nachfolger auch noch genutzt. Selbst wenn er mal einzig und allein zum Lagerraum verkommen sollte, wird man sich beim Anblick des Mount Magaths immer daran erinnern, wie die Bayern 5:1 zerlegt wurden.
Anschrift: In den Allerwiesen 4, 38446 Wolfsburg
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