Onkel Kalli ist für mich ein Nennonkel und eigentlich der Cousin meines verstorbenen Großvaters. In unserer eher auf Gleichstrom laufenden Familie ist Onkel Kalli der Entertainer. Der Man of the match bei jedem Geburtstag. Mit Geschichten, die immer nah an der Grenze zur Glaubwürdigkeit wandeln. Von Eckbällen, die er an der Mittellinie volley genommen hat und die von dort direkt im Winkel des Tores landeten. In Spielen, in denen es selten um weniger ging als um Leben und Tod.
Durch Onkel Kalli durfte ich im Kindesalter Bochum als erste Stadt mit mehr als 300 000 Einwohnern erleben. Teile unserer Familie hatte es nach dem Zweiten Weltkrieg ins Ruhrgebiet verschlagen und Onkel Kalli ist aus dieser Generation der einzige Pottler, der noch am Leben ist. Dass man im Ruhrgebiet von einer Stadt direkt in die nächste fahren konnte, fand ich großartig. Ich kannte nur Dörfer, die durch Felder und Wälder getrennt waren, immer und immer wieder, wie in einem Algorithmus, 50 Kilometer lang, bis mit Kassel endlich eine Stadt kam.
Ohne FIFA gäbe es keinen VIP-Raum
Mit dem Stadion an der Castroper Straße verbindet mich daher viel mehr als mit den meisten anderen Stadien. Ich mag die Enge, das Reine eines Fußballstadions, das nie eine Laufbahn wollte. Die gute Bratwurst, die keine Alternativen kennt, weil es keine Alternativen gibt. So ist es verwunderlich, dass das 1979 fertiggestellte Stadion überhaupt einen VIP-Raum besitzt. Der wurde erst 2011 eingerichtet, als die Frauen-Weltmeisterschaft in Deutschland zum zweiten Sommermärchen werden sollte und der VIP-Bereich zur Bedingung der FIFA wurde.
Das erklärt man auf der Stadionführung, die sich deutlich von der Konkurrenz abhebt. Man muss dafür lediglich einen Bruchteil des Preises bezahlen, den andere Vereine verlangen – dafür wird sich in Bochum ausgiebig Zeit genommen.
Badewanne, Wasserfalldusche und ein Waschtisch
Auch dem VIP-Raum kommt entsprechende Aufmerksamkeit zu. In der „11-Freunde“-Liste rangiert er auf Platz 18, weil ihm eine Besonderheit zukommt: Er ist wie eine Wellness-Lounge ausgestattet und verfügt über eine freistehende Badewanne, eine Wasserfalldusche und einen Waschtisch. „Der Kontrast zwischen Fußball und Entspannung wird so zu einer körperlichen Erfahrung“, wird Heinz Hasenkamp in dem Buch Die besten Fußball-Logen Deutschlands zitiert. Der Logen-Inhaber arbeitet im Bereich Heizung und Sanitär, er übernahm 1991 den über 80 Jahre alten und in Bochum ansässigen Familienbetrieb.
Hasenkamps Vorstellungen sind entsprechend traditionell und bodenständig geprägt, wie das obengenannte Buch erklärt:
70 Prozent der geladenen Gäste sind Menschen, die sich ehrenamtlich in der Region engagieren. Es ist dem Inhaber besonders wichtig zu betonen, dass es sich bei seiner Loge nicht um ein Akquise-Tool handelt.
Das mittelständische Unternehmen ist der älteste Partner des VfL Bochum, Hasenkamp stellt in den Vordergrund, dass es ihm „um die weichen Faktoren und das familiäre Miteinander“ geht. Legendär sind inzwischen auch die Hasenkamp-Badewannenrennen, die in der Halbzeitpause stattfinden.
Würde ich Onkel Kalli nach Heinz Hasenkamp fragen, so würde er sicherlich sagen: „Der Onkel Kalli ist mit dem Heinz per Du.“ Jahrelang hat mir Onkel Kalli auch erzählt, dass er das Silberne Lorbeerblatt besitzen würde. Ich hab’s nicht geglaubt. Als ich dann bei ihm war, holte er das Ding aus der Schublade. Er ist einfach doch der Größte.
Die Fotos der Wellness-Lounge dürfen wir mit freundlicher Genehmigung der Firma Hasenkamp veröffentlichen: https://www.hasenkamp-bochum.de
Anschrift: Wellness-Lounge, Castroper Straße 145, 44791 Bochum
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