Im Dschungel der Sonderhefte ist das des „Kickers“ das einzig wahre, eine Bibel. Die Konkurrenzprodukte sind in der Regel früher auf dem Markt, sie versuchen es mit Gimmicks wie DVDs oder wollen mit beängstigender Farbvielfalt neue, jüngere Kunden locken. Mit all diesen Maßnahmen erreicht man bei weitem nicht den Klassiker in dem bewährten Rot-Ton. Und wenn sich der jüngste Spross der Familie doch ungeduldig dem bunten Treiben der „Sport-Bild“-Variante hingeben will, wird jeder treusorgende Vater mahnend den Zeigefinger heben und vorsorglich das Taschengeld einziehen. Auf das Kicker-Sonderheft wartet man gerne etwas länger, Weihnachten sehnt man auch herbei und kann es nicht einfach um ein paar Tage vorziehen. Feiertage kann man nicht verschieben.
Die erste Stecktabelle gab es zur Saison 1981/82
Seit Jahrzehnten ist die Stecktabelle ein treuer Begleiter des Sonderheftes. Zu dem faszinierenden Stück Pappe hat sich bei mir ein gespaltenes Verhältnis entwickelt und es würde mich wundern, wenn der Hinweis „Die Steckschlitze mit feinem Messer öffnen“ nicht noch mehr Kinder ins Verderben geführt hätte. Der Umgang mit dem Küchenmesser war für mich als Achtjähriger verboten und so wagte ich mich ungefragt in den militärischen Sicherheitsbereich unserer Küche, als ich der Aufforderung des Kickers folgte. Gesundheitlich habe ich keine Schäden genommen, die Stecktabelle schon. Den Steckschlitz des Tabellenersten habe ich mit dem Küchenmesser so vergrößert, dass er bis in die Abstiegsränge reichte. Das Geheule war groß, einmal, weil die Tabelle unbrauchbar war. Dann, weil es für die unerlaubte Nutzung des Messers einen ordentlichen Einlauf meiner Mutter gab.
Die erste Ausgabe des Kickers erschien am 14. Juli 1920.
Sie war es auch, die im Folgejahr die Steckschlitze mit einer bestechenden Akribie öffnete. Auch wenn sich Neunjährige im Berliner Wedding unter Zuhilfenahme von Messern ein veritables Zubrot verdienen, für mich als nordhessisches Dorfkind blieb die Küchenschublade weiter verbotenes Terrain. Mit großem Bahnhof hingen wir die Stecktabelle über meinem Bett auf, der 1. FC Köln würde noch einige Tage auf Platz eins bleiben, die Saison ging ja erst in ein paar Wochen los. Trotzdem hielt sich der Effzeh nur einen Tag an der Spitze, denn als meine Mutter am nächsten Morgen das Bett machte und die Decke ausschüttelte, landete mein Verein mit einer Vielzahl seiner Konkurrenten hinter meinem Nachtlager. Einige Jahre später fand ich die kleinen Pappwappen wieder, als meine Zahnspange hinters Bett fiel und es dann doch abgerückt werden musste.
Nürnberg ist seit Oktober 1926 Sitz des Kickers.
Wenn ich heute zum Mittelteil des Kicker-Sonderheftes komme und die Stecktabelle erscheint, blättere ich voller Ehrfurcht zügig weiter. So mache ich das nun seit über 30 Jahren. Das ist ein wichtiger Punkt, denn das Kicker-Sonderheft im Allgemeinen und sein Erscheinungstag im Speziellen sind eine Reminiszenz an die Kindheit. Eben ein Feiertag, den man herbeisehnt.
Anschrift: Kicker-Redaktion, Badstraße 4-6, 90402 Nürnberg
Internet: http://www.kicker.de
Schreibe einen Kommentar