Meine Mutter hieß Elisabeth, sie war ein Kind des 19. Jahrhunderts und brachte mich 1949 zur Welt, mehrere Studenten hatten dabei ihre Hände im Spiel. Meine uneheliche Schwester, sie heißt Victoria, war im zweiten großen Krieg geblieben. Das haben sie zum Anlass genommen, mich in den Kölner Werkschulen aus der Taufe zu heben. Von einem Wunschkind kann man also nicht reden. Deshalb sagt man mir bis heute nach, ich würde wie eine Salatschüssel aussehen; dennoch kann kein Mann seine Finger von mir lassen, auch wenn ich seit meiner Geburt knapp sechs Kilogramm zugenommen habe und nun elf Kilo wiege.
Bereits nach meiner Geburt hat man mich durchtätowiert wie einen Hafenarbeiter. Mein ideeller Wert ist damit schon immer höher als mein materieller, knapp 25 000 Euro gesteht man mir heute zu, versichert hat man mich mit 50 000 Euro. Weil es auf mir zu eng wurde, hat man mich 1981 erstmals operiert und 2009 noch mal unters Messer gelegt. Im selben Jahr bekam ich auch noch mal ein kleines Schwesterchen, eine zweitklassige Partie mit Bergkristall statt Turmalinen. Man nennt sie spöttisch „Alufelge“.
Schlaflose Nächte sind lang
Ihr Vater ist Adolf Kunesch, der Mann, der mich 1981 und 2009 operiert hat und der bis zu seiner Rente als Gold-und Silberschmiedemeister unterwegs war. Er hat schon immer mal wieder für meine Familie, den DFB, Arbeiten geleistet. Erst in Kesselstadt, irgendwann in den Neunzigerjahren dann in Oberrodenbach in der Nähe von Hanau. Hier fühle ich mich sicher, Rudi Cerne von Aktenzeichen XY wohnt hier nämlich auch. Für Adolf und seine Frau Ermelinde war mein Besuch nicht immer schön, sie nahmen mich mit ins Schlafzimmer und ließen mich auch sonst nie allein. „Das waren für uns schlaflose Nächte“, sagten sie der 11 Freunde. Sie waren in Sorge, man könne mich mitnehmen.
Für die »umstrittene Fußballmeisterschaft« 1921/22 sind sowohl der 1. FC Nürnberg als auch der Hamburger SV als Meister eingraviert.
Was vielleicht ganz gut ist: Viele wissen gar nichts von Adolf und davon, dass ich immer mal wieder bei ihm zu Besuch war. „Die Meisterschale gravieren? Die vom Fußball? Hier in Rodenbach? Macht das bestimmt der neue Copy-Shop!“, hat man hier mal gesagt. Irgendwie auch kein Wunder, im Drosselweg in Ober-Rodenbach steht keine Fabrik, keine Firma und auch kein Lädchen, sondern ein schönes, großes Familienhaus.
Ich vermisse es, wenn ich jetzt zu meinem alljährlichen Ausflug abgeholt werde. Die Reise geht jetzt nicht mehr ins Hessische, sondern nach Bremen zu Koch und Bergfeld. Und dann meistens wieder nach München. Dabei würde ich zu gerne mal wieder in meiner Geburtsstadt Köln vorbeischauen.
Anschrift: Drosselweg, 63517 Rodenbach-Oberrodenbach
Schreibe einen Kommentar