VfL-Fußballwelt geschlossen

„Die Bundesliga hat zwei Halbfinalisten in der Europa League gestellt und sie verkörpern zwei emotionale Extreme“, schrieb Alexander Küpper in seinem Kommentar vom 22. Mai 2022 im MDR. „Auf der einen Seite Eintracht Frankfurt – ultimative Emotionalität, Hingabe und Herzblut, Leidenschaft am Limit. Auf der anderen Seite: RB Leipzig.“ Die Spielzeit 2021/22 ging in die entscheidende Phase, aber den Rasenballsportlern fehlte die Unterstützung von den Rängen: Keine 100 Gästefans beim Auswärtsauftritt in Mönchengladbach, ein mangels Anhängerinnen und Anhängern abgesagter Fanmarsch vor dem Europapokal-Halbfinale in Glasgow. „Es war“, so Küpper über die Leipziger Fans, „als wollten sie allen Kritikern, all jenen, die RB immer zu einem seelenlosen, künstlichen Konstrukt erklärt haben, demonstrieren: Ja, ihr hattet recht!“

Als Küppers Kommentar veröffentlicht wurde, stand im rund 200 Kilometer entfernten Wolfsburg schon längst fest, was kurz vor dem Jahresende 2022 in die Tat umgesetzt wurde: Die dauerhafte Schließung der VfL-Fußballwelt. In Leipzig marschierten die Fans nicht für ihren Klub. In Wolfsburg marschierten sie nicht ins Museum.

Laut Sport-BILD gab es Tage, an denen gar keine Besucherinnen und Besucher in die VfL-Fußballwelt kamen

„Keiner will hin!“, schrieb die Sport-BILD markig, der offizielle Wortlaut fiel etwas anders aus: „Vor dem Hintergrund weiter rückläufiger Besucherzahlen, der Notwendigkeit umfangreicher technischer Updates die mit hohen Kosten verbunden wären und der wirtschaftlichen Situation auch durch Corona hat sich der VfL Wolfsburg dazu entschieden, die VfL-Fußballwelt zu schließen“, so die Braunschweiger Zeitung. Von Beginn an sei die VfL-Fußballwelt defizitär gewesen, 150 000 Besucherinnen und Besucher wurden in dem am 7. März 2015 eröffneten „Prestigeobjekt“ (Braunschweiger Zeitung) begrüßt – beim FC Bayern München und seinem Museum sind es 350 000 Menschen im Jahr. Ausnahmen bildeten lediglich Sonderevents, Schulferien und Spieltage. Die auf der 800 Quadratmeter großen Fläche ausgestellten Exponate wurden eingelagert oder werden bei Events gezeigt.  

„Die Besucherzahlen sind seit Eröffnung trotz Sonderausstellungen, Events sowie unterschiedlichster Marketingmaßnahmen leider auch schon vor Corona rückläufig gewesen“, erklärt die Braunschweiger Zeitung und ergänzt, dass es bezüglich der Wiedereröffnung von Seiten der Anhängerschaft „zwei, drei Nachfragen im Monat“ gegeben habe. Diese erschreckende Zahl passt du den Informationen der Sport-BILD, die berichtet, dass „unter der Woche an etlichen Tagen gar keine Besucher [kamen] – und wenn doch, dann oft nur eine Handvoll“.

Wenn Interessierte von ihrem Klub überzeugt werden müssen

Den Konzernklubs fehlt es an Anhängerinnen und Anhängern. Oder besser: An Fans, die es ernst mit ihnen meinen. Wenn Gunnar Clauß, Leiter Fanservice beim VfL Wolfsburg, die Schließung der VfL-Fußballwelt persönlich bedauert, „jedoch voller Überzeugung [ist], dass wir auch in Zukunft unsere Fans mit neuen und innovativen Ideen, Angeboten und Projekten überzeugen können“, dann stelle ich mir die rhetorische Frage, ob mein Verein, der 1. FC Köln, das jemals musste: Mich mit Innovationen überzeugen.

Die Schließung der VfL-Fußballwelt ist bedauerlich, weil kein Fußballort, der auf unserer Liste zu finden ist, dauerhaft geschlossen werden sollte. Außerdem fand ich die VfL-Fußballwelt durchaus gelungen. Andererseits ist es gut, wenn die unsägliche Diskussion um Traditionsvereine und ihre Gegenpole nicht auf der Basis von Gründungsjahren geführt werden muss. Die Konzernklubs liefern die Belege selbst.

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