Bierbrunnen an der Plumpe, Berlin-Wedding

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Bierbrunnen an der Plumpe, Berlin-Wedding

Wenn ich früher noch einen Koffer in Berlin hatte, dann stand der in der Joachimstaler Straße bei „Holst am Zoo“, einer Fußball-Kneipe, die irgendwann „Hanne am Zoo“ hieß. Es gibt wohl keinen Fußballfan über 30, der Ex-Herthaner und Bayern-Profi „Hanne“ Weiner nicht die Hand geschüttelt und dort einen schönen Leberkäse mit einem Spiegelei gegessen hat. „Hanne am Zoo“ gibt es seit 2010 nicht mehr. Und glaubt man den Berliner Tageszeitungen, dann scheitert das Comeback von Deutschlands kultigster Fußballkneipe an der Suche nach einem neuen Standort. Ersatz findet man in der Hauptstadt unter anderem an der Haltestelle Gesundbrunnen, einem Ort mit einer eigenen, großen Fußballtradition.

Gewaltige Hintertor-Tribünen

Im heutigen Berliner Bezirk Mitte trug Hertha BSC einst seine Heimspiele aus. Von 1904 bis 1907 nutzte die Hertha den Sportplatz am Gesundbrunnen, den man von Gastwirt Joseph Schebera gepachtet hatte. Nach Differenzen mit dem Wirt zog man nach Reinickendorf um, kehrte aber zwei Jahre später wieder zurück. Zusammen mit dem Berliner Sport-Club erwarb man Anfang der Zwanzigerjahre ein Gelände auf der Straßenseite gegenüber des Sportplatzes und weihte das Stadion am 9. Januar 1924 mit einem Sieg über den VfB Pankow ein. Die „Plumpe“ (wie das Stadion im Volksmund genannt wurde) war fortan die Heimat der aufstrebenden alten, damals noch jungen Dame. Von 1926 bis 1931 stand man sechsmal in Folge im Finale um die Deutsche Meisterschaft, konnte aber nur zwei Titel (1930 und 1931) gewinnen. Das Stadion fasste knapp über 35 000 Besucher (davon über 32 000 Stehplätze), allerdings wird die Zahl angezweifelt und von einem geringeren Fassungsvermögen ausgegangen. Die Besonderheit am Gesundbrunnen waren die gewaltigen, trapezförmig verlaufenden Hintertor-Tribünen, der „Zauberberg“ auf der einen und der „Uhrenberg“ auf der anderen Seite. „Dort war man ganz dicht am Spielfeldrand, roch den Rasen und hörte die Schreie der Spieler“, beschreibt Hertha-Chronist Michael Jahn die Atmosphäre an der Plumpe.

Im August 1936 war der Hertha-Platz neben dem Poststadion, dem Mommsen-Stadion und dem Olympiastadion eine der vier Austragungsstätten des olympischen Fußballturniers. Im Zweiten Weltkrieg wurde eine Seitentribüne zerstört, nach der Kapitulation im Mai 1945 war der Platz durch mehr als 200 Bombentreffer gekennzeichnet und unbespielbar geworden. Mit einem renovierten Spielfeld erhielt die (zwischenzeitlich von den Alliierten aufgelöste) Hertha ihr Stadion am 3. Juni 1950 zurück. Obwohl sich der Verein in den Folgejahren bei den Um- und Ausbaumaßnahmen finanziell übernahm, entsprach das Stadion nicht den DFB-Anforderungen für die Bundesliga. Ab der Saison 1963/64 lief Hertha BSC im Olympiastadion auf, in die Plumpe kehrte man 1965 zurück, weil man Spielern verbotenerweise Handgelder bot und in die Regionalliga zwangsversetzt wurde. Mit der Rückkehr in die Bundesliga zur Saison 1968/69 zog man wieder ins Olympiastadion um.

Abriss in den Siebzigern

Der Bundesliga-Skandal Anfang der Siebzigerjahre rückte die Plumpe wieder in den Mittelpunkt. Die involvierte Hertha geriet infolge des Skandals in finanzielle Schieflage. Das Stadion wurde an die Berliner Wohnungsbaugesellschaft verkauft und 1974 abgerissen.

Irgendwann in der Mitte der Siebziger öffnete der Bierbrunnen an der Behmstraßen seine Pforten. Natürlich ist es dort nicht wie bei Holst am Zoo, aber auch der Bierbrunnen wurde von Wolfgang Holst eröffnet. Die Hertha-Fankneipe hat ihren eigenen Charme und den Anspruch, „nichts Besonderes zu sein“. Wirtin Andrea fing dort 1990 als Bedienung an und ist seit 2012 alleinige Pächterin, kennt die Gäste persönlich und behandelt Neuzugänge wie alte Freunde. Live gibt’s die Hertha im Bierbrunnen aber nicht zu sehen, dafür ist Sky mittlerweile zu teuer geworden.

Wenn du ohne Ziel durchs Leben saust, ist wie ne Kuh ohne Milch.

Lebensweisheit, aufgeschnappt im Bierbrunnen

Neben dem Bierbrunnen erinnert noch ein Denkmal an die goldenen Zeiten am Gesundbrunnen. Die 1978 von Michael Schoenholtz erstellten Skulpturen setzen sich kritisch mit dem Abriss des Stadions auseinander. Sie sind in der Bellermannstraße 64-70 und in der Behmstraße 38-42 zu finden.

Anschrift: Behmstraße 3, 13357 Berlin

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