Vielleicht hätte es ein Abschiedsspiel gegeben. Es hätte die letzte Fahrt zum Stadion gegeben. Der Gang in die Kabine, die Fußballschuhe schnüren, ins Stadion einlaufen, in die Menge grüßen, den Abpfiff hören. Alles zum letzten Mal. Für ein vom DFB organisiertes Abschiedsspiel hätte es nicht gereicht, die gab es zuletzt für Lothar Matthäus und Oliver Kahn und dafür hätte Robert Enke einfach zu wenig Länderspiele gehabt. Aber der letzte Auftritt wäre auch nicht für den großen Bahnhof gewesen, sondern für den guten Zweck. Wie wäre es, das Abschiedsspiel nachher, heute Abend um Viertel nach acht?
Die HDI-Arena in Hannover wird nicht ganz ausverkauft sein. Dass Robert Enke die Karriere in Hannover beendet, war nach seiner Rückkehr aus dem Ausland obligatorisch. 2004 kam er mit Teresa hier her, sie wohnen mit den vielen Tieren zusammen auf dem Bauernhof in Himmelreich, einem Stadtteil von Neustadt am Rübenberge, rund 30 Autominuten vom Stadion entfernt. Um die Tiere soll es heute eigentlich gehen. Den ersten Hund haben Teresa und Robert Enke in Lissabon aufgenommen, als sie die Atlantikküste verließen, waren es neun.
Aber natürlich geht es auch darum, Abschied zu nehmen. Vom Fußball und von den ganzen Menschen, die von den ganzen Stationen geblieben sind: Borussia Mönchengladbach, Benfica Lissabon, FC Barcelona, Fenerbahce und Teneriffa. Richtige Freunde zu finden, das ist schwierig. Insbesondere im Fußball. Aber es gibt immer die, mit denen man mehr zu tun hat als mit anderen. Marco Villa zum Beispiel, der zusammen mit Robert Enke die ersten Schritte im Profifußball ging, damals noch auf dem Bökelberg. Der anders war als er, unbeschwerter, mit dem er aber auch die gemeinsame Zeit bei der Bundeswehr hatte. José Moreira aus Lissabon, Eike Immel, der in Istanbul sein Torwarttrainer war. Vielleicht versteht er Robert Enke am besten, sobald es zwischen die Pfosten geht. Oder Jupp Heynckes, der nachher auf der Bank sitzen wird. Sie kennen sich aus Teneriffa.
Auch Sven Ulreich wird kommen. Als Ulreich 19 Jahre alt war, unterliefen ihm gegen Leverkusen zwei Fehler. Ulreichs Trainer Armin Veh nahm vor den Kameras kein Blatt vor den Mund und redete offen von „Torwartfehlern“. Robert Enke rief Sven Ulreich daraufhin an und sprach ihm gut zu. So ist zwischen den beiden in den vergangenen Jahren eine Freundschaft entstanden, ganz ohne Nationalmannschaftslehrgänge oder gemeinsames Training. Ganz anders ist es natürlich mit den Freunden aus Jugendtagen in Jena, mit denen Robert Enke tief verbunden ist. Fast so tief wie mit Jörg Neblung, seinem Berater.
Wenn Robert Enke nachher zum Stadion fährt, dann blickt er auf eine gute Zeit zurück. Auf wichtige Erfahrungen im Ausland, auf seine zweite Heimat in Hannover. Auf zig Einsätze für das Nationalteam im U-Bereich und für die A-Mannschaft, auf mehrere Auszeichnungen als Kicker-Torhüter des Jahres. Auf goldene Jahre bei Hannover 96, nachdem der Verein zuvor in der Bedeutungslosigkeit verschwunden war. Es war mehr als die Karriere eines durchschnittlichen Bundesligaspielers und ganz objektiv weniger als das, was Oliver Kahn vorweisen kann. Für Robert Enke wäre es genau richtig gewesen.
Anschrift: Robert-Enke-Straße 1, 30169 Hannover
Internet: https://robert-enke-stiftung.de
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