Stadion Mathias Stinnes, Essen

In:
Stadion Mathias Stinnes, Essen

Als wir zum ersten Mal das Stadion Mathias Stinnes besuchten, schrieb der Platz gerade an einem neuen Kapitel seiner langen Geschichte. Hunderttausende Migranten suchten zu dieser Zeit Zuflucht in Deutschland, 700 von ihnen in dem Stadion im Essener Stadtteil Karnap, das zu einem Zeltdorf umfunktioniert wurde. Es war eins von insgesamt zehn Zeltdörfern, das in Essen errichtet wurde.

Ein Jahr später, im November 2016, zogen die letzten Flüchtlinge aus dem Mathias-Stinnes-Stadion aus. Der asphaltierte Belag, der die frühere Spielfläche bedeckt, erinnert heute noch an die letzte sinnvolle Bestimmung des Stadions. Gleichzeitig vernichtete die Zweckentfremdung das allerletzte bisschen Glanz, das überhaupt noch übriggeblieben war.

Das Stadion Mathias Stinnes war ein Vorzeigeobjekt

„Das gemauerte Marathontor, bis zu 15 Stehstufen auf den Rängen, großzügige Treppenaufgänge“ – mit diesen Merkmalen konnte das „Prestigeobjekt“ nach seiner Eröffnung im Jahr 1950 protzen, wie das Buch Es war einmal ein Stadion schreibt. Damals kaufte die Mathias Stinnes AG das Gelände (auf dem schon seit 1925 gespielt wurde) und ließ darauf ein Stadion für 20 000 Zuschauerinnen und Zuschauer errichten. (DerWesten.de spricht in seiner Berichterstattung immer von einer Kapazität von 30 000.)

So viele Menschen bekam es allerdings nie zu Gesicht. Der örtliche Zechenverein TSG Karnap lockte zu seinen besten Zeiten maximal 10 000 Zuschauerinnen und Zuschauer ins Mathias-Stinnes-Stadion. Rot-Weiß Essen, in den Fünfzigerjahren Pokalsieger (1952) und Deutscher Meister (1955), spielte an der Hafenstraße selbst in einem Vorzeigeobjekt. Die Heimat von Schwarz-Weiß Essen, dem Pokalsieger von 1959 und langjährigem Mitglied der Oberliga West, ist bis heute das Uhlenkrugstadion. Und so wird der ewige Zuschauerrekord bis heute von der Frauen-Nationalmannschaft gehalten, die ihr erstes inoffizielles Länderspiel am 23. September 1956 vor über 17 000 Fans bestritt.

Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden Schäden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.

DFB-Beschluss aus dem Jahr 1955

Als in den Neunzigern die TSG Karnap mit Schwarz-Gelb Karnap zum FC Essen-Karnap fusionierten, zog der neugegründete Verein an die Sportanlage Lohwiese um. Fortan spielten unter anderem die A-Jugend sowie die Zweite von Rot-Weiß Essen im Mathias-Stinnes-Stadion. „Nachdem die RWE-Teams das Stadion nicht mehr nutzten, lag der Rasenplatz brach und die Ränge wurden nicht mehr gepflegt“, schreibt der Blog groundfever.com. Im Juni 2012 wurde der Spielbetrieb endgültig eingestellt.

„Der jährliche Unterhalt kostete zuletzt gut 115 000 Euro“, erklärt DerWesten.de. Für die Verwendung des Platzes gab es viele Ideen, darunter ein türkisches Zentrum oder einen Reiterhof – alle scheiterten. Das Gelände gehört dem Energiekonzern RWE, der aktuell keine akuten Pläne für das Stadion Mathias Sinnes verfolgt. „Grundsätzlich ermöglicht der Standort jedoch eine gewerbliche Nutzung“, heißt es auf Nachfrage.

Einige Gebäude wurden im Mathias-Stinnes-Stadion bereits abgerissen

Dem Geschichtsverein Carnap ist der aktuelle Zustand ein Dorn im Auge, wie Bettina von der Höh erklärt: „Es ist eine Schande, dass der Ort, wo einst Geschichte geschrieben wurde, so vor sich hin verwaist.“ Der Verein würde die letzten übriggebliebenen Bauten erhalten, RWE sieht dafür wenig Chancen: „Die wenigen Gebäude am Standort sind in keinem guten Zustand und für eine wirtschaftliche Nutzung kaum geeignet“, erklärt Michael Hennemann von RWE. Das Sportheim mit Turnhalle wurde bereits 2011 abgerissen. Um den Zugang zum Zeltdorf zu erleichtern, folgten 2015 die Beseitigung eines Tribünenteils und des Tunnels. 

Das letzte Kapitel der Stadiongeschichte läutete ausgerechnet die 11 Freunde ein. In der Ausgabe 223 ist der Platz zwar Bestandteil der 150-Orte-Liste und damit einer der Orte, die Fußballfans gesehen haben müssen – er wird aber unter dem Namen „Stadion Martin Stinnes“ geführt. Es scheint, als wäre die Geschichte des Stadions erzählt.

Anschrift: Stadion Mathias Stinnes, Beisekampsfurth, 45329 Essen

FacebookWhatsAppEmail

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert