Fahrschule Reinhard Holz, Hardegsen

Blickt man durch die riesige Glasfront der Fahrschule Holz, dann sieht man neben einem Flipchart und einem großen Schreibtisch neun Sitzplätze, je drei Reihen mit drei Stühlen. Eine romantische Vorstellung, dass hier mal Diego saß und seinen Nachbarn Dede fragte, wie viel Trinkwasser durch einen Tropfen Öl ungenießbar werden kann. Glaubt man den kolportierten Zahlen, dann hätten die neun Sitzplätze niemals ausgereicht. Um die 40 Bundesliga-Kicker, allen voran Südamerikaner, haben zwischen 2003 und 2006 in der südniedersächsischen Fahrschule Holz ihren Führerschein „quasi geschenkt bekommen“, wie der Focus schreibt.

Die Fahrschule Reinhard Holz befindet sich mitten im Hardegser Leben

Einen unscheinbareren Flecken Erde hätte man sich für dieses Vorhaben auch kaum aussuchen können. Knapp über 8 000 Menschen leben in Hardegsen, das 20 Kilometer entfernt von der Universitätsstadt Göttingen liegt. Die Touristenattraktion der Eselstadt ist der Wildpark, in dem es unter anderen Zackelschafe und Frettchen gibt. Die Fahrschule Holz befindet sich quasi auf der Reeperbahn des Ortes. Gegenüber konnten sich Marcelinho und Lucio vor den Fahrstunden noch ein Salami-Brötchen im Edeka ziehen, danach in der benachbarten Spielothek sinnlos ihre Kohlen verprassen.

Die sind ungeheuer sensibel. Und wenn sie ein Ziel vor Augen haben, dann verfolgen sie das auch konsequent.

Reinhard Holz in der »HNA« über brasilianische Spieler, einige Monate bevor der Schwindel aufflog

Ein anonymer Hinweisgeber enttarnte das Rundum-sorglos-Paket, wonach die Profis nach Hardegsen reisten, die Prüfung absolvierten und mit deutschem „Lappen“ – außerhalb der EU erworbene Führerscheine sind nur für ein halbes Jahr gültig – wieder zu ihren Vereinen zurückkehrten. Nicht selten meldeten sich die Spieler sogar um, da man den Führerschein eigentlich am Wohnort machen muss. Das hatte zur Folge, dass Diego seinen Mercedes lange Zeit mit Northeimer Kennzeichen durch Bremen kurvte.

Der Ex-Schiedsrichter und ehemalige Oberligaspieler Reinhard Holz, Besitzer der Fahrschule, stellte die Sache anders dar. Er habe lediglich die Prüfungsbögen in den jeweiligen Landessprachen besorgt und sich generell sehr fürsorglich um die Kicker gekümmert. Das Landgericht Göttingen sah das nicht so, im Januar 2009 wurde Reinhard Holz zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen gewerbsmäßiger Bestechung und Urkundenfälschung verurteilt, der Regionalleiter des TÜV Nord zu 18 Monaten Bewährungsstrafe, weil er sich bestechen ließ.

Reinhard, was ist ein Mähdrescher?

Frage von Ex-Bayern-Spieler Lucio an Reinhard Holz (Quelle: »HNA«)

Die Beteiligten gaben am Ende zu, ein Korruptionssystem aufgebaut zu haben. Diego zum Beispiel hatte seine theoretische Prüfung in einem Hotel abgelegt und die Antworten nach Kopfnicken des TÜV-Mitarbeiters eingetragen. Seine praktische Prüfung hat er bestanden, ohne in einem Auto gesessen zu haben.

Die Fahrschüler, neben Diego u. a. Sejad Salihovic (ehemaliger Freistoßspezialist der TSG Hoffenheim), die Dortmunder Diego Klimowicz und Marcio Amoroso sowie Ze Roberto (u. a. FC Bayern und Hamburger SV), aber auch Deutsche wie Torsten Frings gingen im Prozess allesamt leer aus, „sie wussten nicht, dass da etwas Unrechtes dahinter steht“, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Joachim Geyer seinerzeit dem Tagesspiegel.

Und als zuletzt Bayern München gegen Borussia Dortmund spielte und Ze Roberto sein Trikot mit Dede tauschen wollte, lehnte der Bayern-Spieler ab: „Das bekommt der Reinhard.“

»HNA«

Dabei waren es eigentlich diese Profis, die Reinhard Holz in diese Situation getrieben hatten. Seine „fanatische Liebe zum Fußball“ (FAZ) sei der Grund für seine kriminelle Energie gewesen, sich mit den Stars ablichten zu lassen, ihre Nähe, das war für ihn das Größte. Gelohnt hat es sich nicht, wie die Frankfurter Allgemeine 2009 im Rahmen der Verurteilung schrieb: „Der TÜV-Ingenieur ist arbeitslos, der Fahrlehrer inzwischen psychisch krank und berufsunfähig.“ Heute kann man in der Fahrschule Holz wieder seinen Führerschein machen.