„Pommerns Griechen Tempel“ im Stadion der Jugend, Demmin

Als wir in Demmin im Stadion der Jugend stehen und ankündigen, nochmal in die Stadt zu wollen, erhalten wir einen gut gemeinten Rat: „Eigentlich“, sagt Peter Marzak, „können Sie sich das sparen.“. Dann ergänzt der Leiter der Männer-Abteilung des Demminer SV: „Dort gibt es wirklich nichts zu sehen.“

 „Für Firmen zu weit weg vom Berliner Speckgürtel. Und nicht nah genug an der Ostsee, um Touristen anzuziehen“, erklärt der SPIEGEL das, was Peter Marzak andeutet. Demmin liegt im Osten Mecklenburg-Vorpommerns, nach der Wende hatte die Hansestadt bundesweit eine der höchsten Arbeitslosenquoten. 10 000 Menschen leben hier, bis 2040 wird Demmin ein Drittel seiner Bevölkerung verlieren, so die Bevölkerungsprognose MV. Auch hierfür liefert der SPIEGEL eine Erklärung: „Wer kann, geht in den Westen, wer bleibt, erlebt den täglichen Niedergang“.

Es scheint, als seien in Demmin mehr Gehwagen angemeldet als Autos.“

Der Spiegel

Das offizielle Volksfest in Demmin ist das Peenefest, weit mehr überregionale Aufmerksamkeit erlangt die Stadt durch eine andere Veranstaltung. Am 8. Mai ziehen alljährlich rechtsextreme Gruppen für einen Trauermarsch durch Demmin. Kurz vor dem Endes des Zweiten Weltkriegs kam es dort zu einem Massensuizid, rund tausend Menschen begingen aus Angst vor der anrückenden Roten Armee Selbstmord. Neonazis instrumentalisieren die Geschehnisse unter dem Deckmantel der Erinnerungskultur. „Ich find’s immer nur traurig, dass Demmin wegen so nem Scheiß in die Schlagzeilen gerät“, sagt ein Mann in dem Dokumentarfilm „Über Leben in Demmin“, der so schwer aufs Gemüt drückt, dass die Zweideutigkeit des Titels eindeutig wird.

Pommerns Griechen Tempel steht schon seit den Zwanzigerjahren im Stadion der Jugend

Es würde ins Bild passen, dass der kolossale Bau, der uns ins Stadion der Jugend führt, auf die Nazis zurückgehen würde, so imposant und mächtig, wie er wirkt. Doch „Pommerns Griechen Tempel“ (Fußballheimat Mecklenburg-Vorpommern) wurde schon in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts errichtet. „Es gab bereits im Jahre 1925 einen entsprechenden Aufruf mit Konzeption des Stadions“, erklärt David Krüger und belegt seine Aussage mit einer Skizze. Signiert wurde sie von Fritz Richter-Elsner, einem deutschen Bildhauer, der auch für das Demminer Ulanendenkmal verantwortlich zeichnet. Die Parallelen beider Denkmäler sind „unverkennbar“, so Karsten Behrens, der wie David Krüger im Vorstand des Demminer Heimatvereins tätig ist.

Allerdings nahmen die Nationalsozialsten nach ihrer Machtergreifung Einfluss auf das Denkmal, dessen Errichtung in den Jahren 1925 und 1926 durch Geldspenden finanziert wurde. „Es wurde zum Ehrenmal für die Gefallenen umgebaut, mit Heldenfiguren versehen und hatte nun anstelle des Reichsapfels den bekannten Reichsadler“, erläutert David Krüger. Ob Richter-Elsner in die baulichen Veränderungen involviert war, sei dagegen nicht klar. Insbesondere die Heldenfiguren wirken auf den Fotos jener Zeit bedrohlich. Sie waren so hoch wie die heutigen vier Mittelsäulen und wurden – wie auch der Reichsadler – nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder entfernt. Die oft kolportierte Eröffnung des Stadions im Jahr 1936 ist demnach falsch, die Jahreszahl bezieht sich (offenbar) auf die Umgestaltung der Gedächtnishalle.

Seit 2020 liegt hinter Pommerns Griechen Tempel ein Kunstrasenplatz

Das Stadion der Jugend erzählt aber nicht nur die Geschichte seines Denkmals. Bevor auf dem Platz Fußball gespielt wurde, diente er im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts der Ausbildung von Militärpferden. „Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das hiesige 2. Pommersche Ulanen-Regiment Nr. 9 aufgelöst“, erklärt Karsten Behrens. Das hatte zur Folge, dass sich die Anzahl der Pferde in Demmin erheblich reduzierte. „So wurde der Weg frei für eine neue Nutzung dieser speziellen Fläche für ein Stadion, welches zunächst aber ‚Kampfbahn‘ hieß“, fährt Behrens fort. Die letzte große Veränderung in der Gegenwart war die Errichtung eines Kunstrasenplatzes, der 2020 für knapp eine Million Euro oberhalb des Stadions angelegt wurde.

Zu ihrer besten Zeit spielte die BSG Demminer VB (die 1958 aus einem Zusammenschluss von Empor und Lokomotive Demmin entstanden war) in der zweitklassigen DDR-Liga. Die beste Zeit, das waren die Siebzigerjahre, konkret die Saisons 1973/74 und 1977/78. „Wenn die Fußballer zum Spiel antraten, dann zog es etliche Demminer ins Stadion. Kaum zu glauben – aber die Heimspiele hatten damals im Durchschnitt fast 1 500 Zuschauer“, schreibt Anke Krey im Nordkurier. Als man 1976 den Aufstieg in die DDR-Liga knapp verpasste, kamen 2 100 Menschen zum Entscheidungsspiel gegen Neustrelitz ins Stadion der Jugend, das zeitweise den Namen „Stadion der Einheit“ trug. Dem Abstieg aus der DDR-Liga 1978 folgte ein Jahr später der aus der Bezirksliga, in der man lange Zeit zum festen Inventar gehörte und in die man in den Achtzigerjahren nur noch einmal zurückkehren sollte.

Heute ist das Stadion der Jugend weit von vierstelligen Besucherzahlen entfernt

Im Mai 2018 kamen nochmal 1 900 Menschen ins Stadion der Jugend, um einer Demminer Regionalauswahl in einem Freundschaftsspiel gegen Hansa Rostock zuzusehen. Der Hausherr Demminer SV spielt heute in der Kreisliga und lockt nicht mehr ansatzweise so viele Zuschauerinnen und Zuschauer ins Stadion der Jugend, das eine kolportierte Kapazität von rund 4 000 Plätzen aufweist.

Anschrift: Pommerns Griechen Tempel im Stadion der Jugend, Schützenstraße 1, 17109 Demmin

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