Die meisten Sehenswürdigkeiten in unserer Kategorie „Lieblingsorte“ zeichnet aus, dass Fußballenthusiasten mit hohem Impetus an einer Sache arbeiten, die nicht selten zu einem Hobby mit dem Charakter eines Hauptberufs wird. Das ist im Osten der Fußballrepublik so, wenn man nach Bad Tabarz oder in die Gemeinde Muldestausee blickt, das gilt im Süden für Bayreuth und im Norden für Springe. An diesen Orten findet man Fußballausstellungen, bei denen man froh darüber sein kann, dass man hinsichtlich der Digitalisierung hinterherhinkt. An diesen Orten zählt noch das Exponat als solches.
Der Westen zieht jetzt mit einem Museum nach, das in Pandemiezeiten einen weiteren Vorteil bietet: Es ist jederzeit zugänglich. „Die kleine Gruga“ an der Hafenstraße in Essen ist „Deutschlands wohl einziges Freilichtfußballmuseum“, wie Vereinshistoriker Georg Schrepper berichtet, eine „RWE-Erinnerungslandschaft“ (Rot-Weiss-Essen.de).
Die kleine Gruga war eine Gartenanlage
„Die kleine Gruga, das war der Name einer kleinen Gartenanlage, die RWE-Gründer Georg Melches in den Fünfzigerjahren hinter Haupttribüne und Westkurve anlegen ließ und die als Ort der Erholung in einem von Industrie geprägten Stadtteil dienen sollte“, erklärt Schrepper. Initiator der kleinen Gruga ist neben dem Fanprojekt Essen sowie der Fan- und Förderabteilung (FFA) insbesondere die „Initiative GMS“, die 2011 mit dem Ziel gegründet wurde, die Haupttribüne des Georg-Melches-Stadion zu erhalten.
Was nicht gelang. Dafür konnten Erinnerungsstücke aus dem einst modernsten Stadion Europas gerettet werden, die sich seit Mai 2015 (neben anderen Exponaten der RWE-Geschichte) auf dem 120 Meter langen Grünstreifen südlich des Stadions wiederfinden.
Die kleine Gruga startete mit einem Förderwagen
Den Anfang machten ein Förderwagen und eine Skulptur. „Der Wagen stammt von der letzten Schicht der Verbundsteinkohlenzeche Emil-Fritz“, heißt es in einem Bericht des Essener Stadionmagazins Kurze Fuffzehn. Denselben Namen trägt die Skulptur, die 1951 vom Bochumer Bildhauer Fritz Pesch gefertigt wurde. „Aufgestellt wurde sie ursprünglich in einem Blumenbeet der kleinen Gruga zur Blütezeit von RWE“, so der obengenannte Bericht. Die Skulptur ist eine Replik, das Original steht gute 30 Autominuten entfernt im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Der Name „Kurze Fuffzehn“ geht auf die viertelstündige Ruhepause im Bergbau zurück.
Sechs Jahre nach dem Startschuss findet man heute in Essen-Bergeborbeck unter anderem den Schriftzug des alten Stadions, verschiedene Fototafeln (u. a. mit dem Pokalsieg 1953), einen Flutlichttisch und den Nachbau einer Pergola, die in den Fünfzigerjahren rechts neben der alten Tribüne lag. „Ziel des von den Fans selbst finanzierten Projekts ist es, einen Zeitstrahl der Historie des Traditionsvereins zu schaffen, der Stück für Stück erweitert wird“, heißt es auf der Vereinsseite.
Auf den Tafeln wird einmal mehr vor Augen geführt, wie imposant die rot-weiße Historie ist.
rot-weiss-essen.de
Als die 11 Freunde vor fast zehn Jahren die „99 Orte, die Fußballfans gesehen haben müssen“ veröffentlichten, war die Essener Stadionbaustelle Teil der Aufzählung. Die Liste aus der Ausgabe 223 führt das Helmut-Rahn-Denkmal auf, eine Statue, wie sie in Deutschland inzwischen vor fast jedem Stadion zu finden ist, nachdem der Trend irgendwann aus England rüberschwappte. Die bessere Wahl wäre eine Open-Air-Ausstellung gewesen, die in dieser Form einmalig ist.
Anschrift: Die kleine Gruga, Hafenstraße, 45356 Essen (Die kleine Gruga befindet sich zwischen dem Flutlichtmast und den Bahnschienen im Süden des Stadions)
Internet: https://initiative-gms.jimdofree.com/
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