Fußball war früher kein Hobby ganzer Konzerne, sondern von geschäftstüchtigen Mäzenen. Wolfgang Zabel formte mit den Kohlen seines Elektro-Unternehmens aus dem OSV Hannover einen Zweitligisten. Klaus Steilmann machte mit der SG Wattenscheid 09 dem VfL Bochum in der eigenen Stadt Konkurrenz. Und wenige Kilometer weiter träumten Erhard Goldbach und seine Westfalia aus Herne vom Bundesliga-Fußball, bis der Ölkönig von Wanne aufgrund seiner Steuerschulden bei Aktenzeichen XY gesucht wurde.
Manchmal sind es nur die Erinnerungen, die von den Mäzenen geblieben sind. Im oberfränkischen Weismain ist es ein Stadion, das oberhalb der rund 5 000 Einwohner-Stadt thront. Dass es die heutigen Dimensionen hat – ein Fassungsvermögen von 18 000 Plätzen – ist Alois Dechant zu verdanken.
Im Waldstadion Weismain wurde Drittligafußball gespielt
Von 1985 bis 1995 hatte sich der SC Weismain in der Landesliga etabliert. Gespielt wurde damals schon auf dem Platz an der Baiersdorfer Straße, der seit 1945 erst als Sportplatz und ab 1968 als Waldstadion die Heimat der Weismainer Fußballer war. 1995 gelang der langersehnte Aufstieg in die Bayernliga, gefolgt vom Durchmarsch in die (damals) drittklassige Regionalliga.
Der Erfolg hatte auf dem Feld viele Namen, Frank Kramer (später u. a. Trainer in Fürth, Düsseldorf und Bielefeld), Armin Eck (unter anderem Bayern München) oder Joe Zinnbauer (später Trainer beim Hamburger SV) sind wohl die bekanntesten. Der „König von Weismain“ (Infranken.de) war aber Alois Dechant, Baulöwe und Mäzen des SC Weismain. Der hatte das Unternehmen von seinem Vater übernommen, baute am Berliner Reichstag mit und beschäftigte um die Jahrtausendwende 1 800 Mitarbeiter.
Ich habe damals für den Stadionbau zwei Lebensversicherungen eingebracht.
Alois Dechant auf »Infranken.de«
Insbesondere an der Vita des Stadions kann man Dechants Investitionen und die (viel zu) schnelle Entwicklung des SC Weismain festmachen. Einer kleinen 480-Mann-Tribüne zu Landesligazeiten folgte eine überdachte Stehplatztribüne, die mit dem Aufstieg in die Regionalliga – also binnen eines Jahres – auf 9 000 Plätze erweitert wurde. Zeitgleich wurde die Ostseite des Stadions um neun Betonstufenreihen ergänzt, sodass 10 000 Besucher ins Waldstadion passten und Weismain 1996 erstmals Austragungsort eines U16-Länderspiels wurde.
Sein Alleinstellungsmerkmal hat das Stadion durch 18(!) weitere Stehplatzränge erreicht, die aus Sandsteinrohlingen bestehen und die es für Hardy Grüne zu einem „der atemberaubendsten Stadien des Landes“ machen. Der ganze Wahnsinn wird deutlich, wenn man bedenkt, dass diese Sandsteintribüne für ein einziges Spiel geschaffen wurde: Das Serienspiel gegen den damals ebenfalls drittklassigen 1. FC Nürnberg. Auch die Erweiterung der Südtribüne und die Flutlichtanlage waren bis zum 12. April 1997 fertig. Die 0:2-Niederlage gegen den späteren Meister sahen 18 000 Menschen, „vielleicht auch mehr“, wie das Obermain-Tagblatt spekulierte.
Das Waldstadion Weismain sah magische Spiele unter Flutlicht
Durch magische Spiele unter Flutlicht am Freitagabend und Siege über Darmstadt 98, Hessen Kassel oder den FC Augsburg schloss der SCW die Saison als Tabellenzehnter ab. Zwei Jahre später verabschiedete sich der Verein wieder aus der Regionalliga.
So schnell wie es nach oben ging, ging es auch wieder in die andere Richtung. Nach mehreren Abstiegen in Folge meldete der Verein in der Saison 2003/2004 Insolvenz an, vier Jahre nachdem auch Dechant mit seiner Firma zahlungsunfähig wurde. „Zahlungsverzögerungen beim Großprojekt Reichstag und Verluste von 272 Millionen Mark durch insolvente Bauträger-Firmen überstiegen die Leistungsfähigkeit des Familienunternehmens“, wie das Obermain-Tagblatt schreibt. Beim SC Weismain hatte man dagegen einfach über den Verhältnissen gelebt.
Der „König von Weismain“ träumte von einer Oberfranken-Elf
Dechant gelang mit seinen beiden Söhnen und einer neuen Baufirma eine Wiederauferstehung. Er ist heute Träger des Bundesverdienstkreuzes, hat das Ehrenbürgerrecht der Stadt Weismain inne und ist Magistrat der Universität von Lemberg. Den Traum vom großen Fußball in seiner Stadt hat er schon seit einigen Jahren begraben, 2012 sagte er Infranken.de: „Ich gebe so langsam auf, denn ich bräuchte ein paar handfeste Mitkämpfer. Die Idee einer Oberfranken-Elf, die in der 3. Liga spielt, ließ sich leider nicht verwirklichen.“
In Bayreuth und Hof ist man darüber alles andere als unglücklich, die beiden Traditionsvereine sind sich spinnefeind. Oder um es so zu sagen: Wer außer irgendeines Mäzens könnte sich schon eine Ruhrgebietself aus Schalke und Dortmund vorstellen?
Anschrift: Waldstadion, Baiersdorfer Straße 11, 96260 Weismain
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