Rudolf-Harbig-Stadion, Dresden

„Nach Rudolf Harbig wurde eine Straße benannt“, heißt es in Betterovs Lied Dussmann. In Dresden ist es ein ganzes Stadion, das den Namen des 1913 in Dresden geborenen Leichtathleten trägt. Dadurch verschwindet auch endlich ein blinder Fleck auf unserer Deutschlandkarte, denn die Hauptstadt Sachsens war bisher nicht mit einem Fußballort besetzt.

Seit 1896 wird hier Fußball gespielt, aber erst seit September 1951 hat das Stadion den Namen inne, den es heute (wieder) ziert. Bei der Auflistung aller Titel scheint es tatsächlich so, als würde Mutter Wollny ihre Kinder zum Essen bestellen, denn die Dresdner Namenshistorie ist beeindruckend: Sportplatz an der Hygieneausstellung (1911), Dresdner Kampfbahn bzw. Kampfbahn an der Lennéstraße auf der Güntzwiese (1923–1937), Ilgen-Kampfbahn (1937–1945), Dynamo-Stadion (1971–1990), Stadion Dresden (2014–2016), Glücksgas-Stadion (2010–2014) und DDV-Stadion (2016–2018) – und dazwischen immer wieder Rudolf Harbig-Stadion (1951 bis 1971 und 1990 bis 2010).

Der Vorgänger des Rudolf-Harbig-Stadions wurde 1923 eingeweiht

Die Einweihung der ersten richtigen Sportstätte auf diesem Gelände geht auf den Mai 1923 zurück. Die Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung „Jahresschau Deutscher Arbeit, Spiel und Sport“ betraten eine Kampfbahn für 24 000 Menschen, deren „Erweiterung zur Großkampfbahn und auf ein Fassungsvermögen von 40 000“ (Das große Buch der deutschen Fußballstadien) vorgesehen war. Bereits im Jahr der Eröffnung fand hier das erste Länderspiel statt (1:2 gegen Finnland).

Im September 1951 wurde das Stadion auf dem schwer beschädigten Gelände mit einem Leichtathletik-Sportfest wiedereröffnet, der Platz trug nun erstmals den Namen Rudolf Harbigs. Ebenfalls zu Beginn der Fünfzigerjahre feierte der Vorgängerverein der SG Dynamo Dresden, die SV Deutsche Volkspolizei Dresden, den FDGB-Pokalsieg 1952 und die DDR-Meisterschaft 1953 (die er im zehn Autominuten entfernten Heinz-Steyer-Stadion errang).

1957 spielte Dynamo im Rudolf-Harbig-Stadion – als Bezirksligist

Die Erfolge wurden dem Dresdner Fußball zum Verhängnis. „Im November 1954 wird die Mannschaft überraschend zum SC Dynamo Berlin (dem späteren BFC Dynamo) delegiert“, heißt es auf dynamo-dresden.de. Die erst im April 1953 aus der SV Deutsche Volkspolizei Dresden hervorgegangene SG Dynamo Dresden rutschte daraufhin bis in die vierte Liga ab, den ersten Auftritt im Rudolf-Harbig-Stadion absolvierte der Klub somit als Bezirksligist. (Vollständigkeitshalber: Die SV Deutsche Volkspolizei Dresden trug das erste Fußballspiel überhaupt im Rudolf-Harbig-Stadion aus.)

In den Sechzigerjahren kehrte Dynamo Dresden in die DDR-Oberliga zurück und feierte zwischen 1971 und 1990 acht Meisterschaften und sechs Pokalsiege. „Das Stadion, das so zentrumsnah liegt wie kaum ein anderes in Deutschland, erlebte ein EC-Halbfinale und sieben Viertelfinalspiele“, ergänzt die Dynamo-Webseite. Die markanten Flutlichtmasten, die „Giraffen“, wurden 1969 eingeweiht, zehn Jahre später kam eine elektrische Anzeigetafel hinzu. Das Stadion wurde sukzessive auf 38 500 Plätze ausgebaut, das legendäre 3:3 gegen den FC Bayern München im November 1973 sahen 36 000 Menschen, „so viele Zuschauer fasste das Stadion offiziell erst nach der Erweiterung im Sommer 1976“ (Das große Buch der deutschen Fußballstadien). Auch der inoffizielle Besucherrekord (44 000 im September 1979 im UEFA-Pokal gegen den VfB Stuttgart) war theoretisch gar nicht möglich. Als Dynamo Dresden von 1991 bis 1995 in der Bundesliga spielte, wurde das Stadion modernisiert, das Fassungsvermögen lag nun bei 32 500.

Verfall des Stadions nach der Wende

„Nach den Ausbesserungen, die Anfang der 1990er Jahre für die Zulassung zur Bundesliga notwendig wurden, war das Harbig-Stadion dem Verfall preisgegeben. Üble Gerüche in den Katakomben und eine aus Sicherheitsgründen immer geringere Zuschauerkapazität waren nur die augenfälligsten Hinweise auf die Dringlichkeit einer umfassenden Lösung“, heißt es auf dynamo-dresden.de.

Und die wurde im September 2009 nach rund zweijähriger Bauzeit mit einem Freundschaftsspiel gegen den FC Schalke 04 eingeweiht. Das Rudolf-Harbig-Stadion bietet rund 32 000 Besucherinnen und Besuchern Platz und ist nach dem Aachener Tivoli das zweitgrößte Einrangstadion der Bundesrepublik. Die markanten Flutlichtmasten haben den Stadionneubau nicht überlebt, auch der Versuch, einen einzelnen Mast zu erhalten, so wie es in Essen der Fall ist, scheiterte.

Für den Namen Rudolf Harbigs entschieden sich im August 2018 bei einer Abstimmung rund 54 Prozent. Dass das Stadion 1951 so benannt wurde, war „zu DDR-Zeiten allerdings kein einfaches Unterfangen“, wie Das große Buch der deutschen Fußball-Stadien erklärt. Rudolf Harbig war Mitglied der NSDAP und führte den Dienstgrad eines SA-Sturmmanns. In der Literatur gibt es aber diesbezüglich kein eindeutiges Bild. Harbig wird vom parteilosen Opportunisten bis hin zum Antisemiten jede politische Gesinnung zugeschrieben. Trotzdem wurde nach ihm nicht nur eine Straße benannt, wie Betterov singt. Bereits vor zwanzig Jahren waren es schon über 40.

Anschrift: Rudolf-Harbig-Stadion, Lennéstraße 12, 01069 Dresden

Internet: https://www.dynamo-dresden.de/verein/staetten/rudolf-harbig-stadion/

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