Seelers Fuß, Hamburg

„Als ich in der dritten Klasse war“, schreibt Alex Raack in seinem Buch Alles aus Liebe, „kam eines Tages eine Frau von der Stadtbibliothek und kippte einen Haufen Bücher auf unsere Tische“. Weil er selbst Fußball spielte, suchte sich Raack das aus, das „Alle meine Tore“ hieß und dessen Autor der Mann war, von dem Alex Raack „ein richtiger Fanboy“ werden sollte: Uwe Seeler. Als Uwe Seeler einige Jahre später mit seiner Traditionsmannschaft im Landkreis Celle und damit in Familie Raacks unmittelbarer Heimat spielte, wartete Vater Raack mit Sohn Alex nach dem Spiel eine Stunde im Nieselregen, damit Alex ein Autogramm seines Helden bekam. „Mein lieber Vater hat zwar mit Fußball nichts am Hut“, heißt es in Alles aus Liebe, „aber er kennt und schätzt Uwe Seeler. Für diese Bewunderung braucht es gar keine Begeisterung für das Spiel.“

Uwe Seeler ist ein Zen-Meister für die Fußball-Gemeinschaft. Er kann Leute wie Alex Raack für sich gewinnen, obwohl sie Anhänger des ärgsten HSV-Kontrahenten Werder Bremen sind. Er genießt Anerkennung bei Menschen, die sich nicht einmal für Fußball interessieren, wie bei Vater Raack. Uwe Seeler ist ein Mann, der ein Denkmal verdient. Und einer, der eins hat.

Das Uwe-Seeler-Denkmal heißt offiziell „Uns Uwe sein Fuß“

Direkt beim Eingang Nordost des Volksparkstadions steht die 3,50 Meter hohe, 2,30 Meter tiefe, 5,15 Meter breite und (je nach Quelle) zwischen 2,5 und 4 Tonnen schwere Nachbildung des Uwe Seeler-Fußes, die von der inzwischen verstorbenen Mönchengladbacher Künstlerin Brigitte Schmitges („Die Aufstellung dieser Skulptur ist für mich die Verwirklichung eines Lebenstraumes“) im Maßstab 20:1 in Bronze gegossen wurde. Der Name der Skulptur: „Uns Uwe sein Fuß“. Oder im Volksmund einfach „Uwe-Seeler-Denkmal“.

„Man kann sogar all meine Verletzungen erkennen“, zeigte sich Uwe Seeler bei der Einweihung im August 2005 begeistert. 700 Gäste waren geladen, um den 250 000 Euro teuren Fuß zu bewundern. „Die Menschen dieser Stadt schauen mit Respekt und Liebe zu Uwe Seeler“, sagte Hamburgs damaliger Bürgermeister Ole von Beust im Rahmen der Zeremonie, „und das gerade, weil er nicht auf großem Fuß lebt, sondern Vorbild für Bescheidenheit ist“.

Ich war schon immer HSV-Fan und damit auch Anhänger von Uwe Seeler. Deshalb wollte ich meinem großen Idol ein Denkmal setzen.

Andreas Maske, Auftraggeber der Skulptur

Von Beust gab damit nicht nur für das Uwe-Seeler-Denkmal, sondern auch für zahlreiche Wortspiele den Startschuss. Der Hamburger Kultur-Stadtplan Kulturkarte findet das Denkmal „sehr passend“, schließlich „stehen sich doch viele ZuschauerInnen vor der Kasse die Füße breit – hoffentlich nicht bis zu einem vergleichbaren Umfang“. Und die 11 Freunde wusste: „Die Fuß­stapfen von Uwe Seeler werden beim HSV nun noch ein wenig größer.“

Zusammen mit den Spielern und Funktionären des „Walk of Fames“ setzen Seelers Fußstapfen einen Maßstab, der für die aktuelle Mannschaft der Hamburger unerreichbar ist. Zu diesem Walk of Fame gehören rund 50 HSV-Legenden, die mit ihren Hand- oder Fußabdrücken den Uwe-Seeler-Fuß umringen, darunter Horst Hrubesch, Felix Magath, Manfred Kaltz oder Günter Netzer.

Diese Generation prägt die erfolgreichste Zeit des Hamburger SV, wurde zwischen 1979 und 1983 drei Mal Deutscher Meister und Europapokalsieger der Landesmeister 1983. Uwe Seeler ist die Symbolfigur einer anderen HSV-Ära und prägte das Gesicht einer Mannschaft, die zwischen 1955 und 1963 neun Mal in Folge Meister der Oberliga Nord wurde.

Seelers Fuß hat einen kleinen Kratzer bekommen

Dass Seeler – wie bei Alex Raacks Vater – darüber hinaus mit seinem bodenständigen „Uns Uwe“-Auftreten in Erinnerung geblieben ist, liegt daran, dass er die skandalfreie Version von Franz Beckenbauer ist – oder zumindest als solche erhalten bleibt. Als ihm der „Spiegel“ im Mai 2020 die Beteiligung an einer Briefkastenfirma auf den Bahamas nachweisen konnte, nahm das die Medienlandschaft nur achselzuckend zur Kenntnis. Seeler war kurz zuvor in seinem Haus in Hamburg gestürzt und musste notoperiert werden, wen interessierte da ein bisschen Vogelkacke auf einem Denkmal? Dagegen ist die Geschichte um das unablehnbare Angebot von Inter Mailand seit fünfzig Jahren verpflichtender Abiturstoff in der Hansestadt. Seelers Biografie „Danke, Fußball! Mein Leben“ beginnt mit dieser Episode, „Alle meine Tore“ liest sich wie eine Heldensage: Seeler blieb „selbst dann fair, wenn man ihn rücksichtslos angriff, zu zweit, zu dritt“.

Es ist das Buch, das Alex Raack zum Uwe-Seeler-Fan machte. Wie ist es für einen selbsternannten „Uwe-Seeler-Fanboy“, wenn das Idol plötzlich Kratzer abbekommt? Raacks Antwort: „Ich bin immerhin froh, dass er nicht seit vier Jahrzehnten seine Frau verarscht.“

Anschrift: Seelers Fuß (Uwe-Seeler-Denkmal), Eingang Nordost des Volksparkstadions, 22525 Hamburg

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